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  Die politische Organisation des Mediums

Während die Wirtschaftsführung und technische Weiterentwicklung des Rundfunks nach seiner Neuorganisation vollständig und allein der Kontrolle des RPM oblag, stand er politisch – entsprechend der Abmachung beider Ministerien vom März 1925 – hauptsächlich unter dem Kuratel des RMI, das seine Kompetenzen – als Resultat des Einspruchs der Länder – jedoch mit den jeweils zuständigen Landesregierungen teilen mußte. Beiden oblag dabei nicht nur die politische Kontrolle über das gesamte Rundfunkprogramm, die jetzt ebenso wie die wirtschaftliche Kontrolle des Mediums für die Öffentlichkeit relativ offensichtlich geregelt war. Sowohl Reichs- wie Landesregierung(en) erhielten darüber hinaus auch die positiven Einflußmöglichkeiten auf die Programmgestaltung, die das RMI seit Sommer 1923 angestrebt hatte.

Gemäß Art. 3 der Sendelizenzen[*] wurden zur laufenden Überwachung des Rundfunkprogramms bei jeder Regionalgesellschaft zwei Kontroll- bzw. Zensurgremien eingerichtet, deren Mitglieder ausschließlich durch die Reichsregierung und die jeweils zuständige Landesregierung(en) ernannt wurden, und deren weitreichende Kompetenzen in gesonderten Bestimmungen ausführlich geregelt waren.[*]

Für die Kontrolle der aktuellen und politischen Darbietungen der Sendegesellschaften war danach ein sog. politischer Überwachungsausschuß zuständig, der "in der Regel"[*] aus drei Mitgliedern bestand, von denen eines das RMI und zwei die zuständige(n) Landesregierung(en) entsandte. Sie gehörten automatisch dem Aufsichtsrat der Gesellschaft an, die sich in allen "politischen Fragen der Programmgestaltung"[*] mit ihnen in Verbindung zu setzen und ihre Entscheidung abzuwarten hatten. Darüber hinaus bedurfte auch die Anstellung des für die Programmgestaltung zuständigen Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Zustimmung des Überwachungsausschusses. Er mußte zudem über alle Beschwerden über politische Darbietungen in Kenntnis gesetzt werden und konnte gegen das geplante Programm ganz oder in Teilen für die Gesellschaft verbindlichen Einspruch erheben. Ausgeschlossen von diesem Einspruchsrecht waren nur Darbietungen, "bei denen es sich lediglich um Fragen der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung handelt"[*].

Die Behandlung solcher Fragen oblag dann dem zweiten Kontrollgremium, dem sog. Kulturbeirat der Sendegesellschaften. Er setzte sich aus drei bis sieben ehrenamtlichen Mitgliedern aus Wissenschaft, Kunst und Volksbildung zusammen, die nach Anhörung der Gesellschaft und im Einvernehmen mit dem RMI von den zuständigen Landesregierungen bestellt wurden und bei Bedarf um je einen Vertreter von Reichs- und Landesregierung(en) erweitert werden konnte. Anders als der Überwachungsausschuß sollte dieses Gremium das kulturelle Programm des Senders nicht nur überwachen, sondern auch selbst Vorschläge zu seiner Gestaltung vorlegen. Zu diesem Zweck mußte ihm von den Sendegesellschaften laufend ein Programmplan unterbreitet werden, auf Nachfrage auch eine Inhaltsangabe bzw. der Wortlaut einzelner Sendungen, und ebenso wie der Überwachungsausschuß konnte der Kulturbeirat gegen das Programm oder Teile davon Einspruch erheben. Darüber hinaus sollte der Kulturbeirat aber auch Zuarbeit für den Überwachungsausschuß leisten, darauf achten, "daß Parteipolitik bei den Darbietungen ausgeschaltet bleibt(…)"[*], und in Zweifelsfällen rechtzeitig den Überwachungsausschuß einschalten.

Neben diesen beiden, direkt bei den Sendegesellschaften tätigen Kontrollorganen, deren Entscheidungen entsprechend der politischen Couleur der jeweils zuständigen Landesregierungen und entsprechend der Persönlichkeit der ihnen angehörenden Mitglieder von Gesellschaft zu Gesellschaft durchaus unterschiedlich ausfallen konnten[*], waren gemäß Art. 2 der Sendelizenzen zusätzlich noch reichseinheitliche Richtlinien für den Nachrichten- und Vortragsdienst[*] für die Programmgestaltung maßgebend. Diese Richtlinien legten zur Beruhigung von Öffentlichkeit und Parlament zwar fest, daß "(d)er Rundfunk keiner Partei (dient)" und "(s)ein gesamter Nachrichten- und Vortragsdienst (…) daher streng überparteilich zu gestalten (sei)"[*].

Gleichzeitig bildeten sie jedoch für Reichs– und Landesregierungen die rechtliche Grundlage für die erwünschte positive Einflußnahme auf die Programmgestaltung des Rundfunks, also für seine Nutzung als – durchaus parteiliches – Propagandainstrument. So waren die zuständigen Landesregierungen nach Ziffer 3 und 5 der Richtlinien berechtigt, den Gesellschaften sog. Auflagenachrichten und –vorträgen zuzuleiten, die diese "unverzüglich, unverkürzt, unverändert und unentgeltlich"[*] verbreiten mußten, ohne daß in diesem Fall Kulturbeirat oder Überwachungsausschuß ein Einspruchsrecht hatten. Darüber hinaus durften die Gesellschaften mit Ausnahme von Sport-, Wetter, Wirtschafts- und lokalen Meldungen nur solche Nachrichten verbreiten, die ihr von einer durch das RMI benannten Nachrichtenstelle, nämlich der DRADAG vermittelt worden waren, die ebenfalls das Recht hatte, die Gesellschaften zur Verbreitung von Auflagenachrichten und -vorträgen zu verpflichten.[*]

Bis zu ihrer Anerkennung als staatlicher Nachrichtenstelle des Rundfunks im Juli 1926 wurde die Organisation der DRADAG allerdings noch erheblich modifiziert, so das die Gesellschaft schließlich wieder vollständig unter Kontrolle der Reichsregierung stand. Als Resultat der langwierigen Auseinandersetzungen zwischen RMI und RPM wurde hierzu jedoch eine derart verwinkelte Organisationsstruktur geschaffen, daß für die Öffentlichkeit der maßgebliche Einfluß der Regierung auf die DRADAG kaum noch erkennbar war.

Noch im Winter 1924/25 wurde in einem ersten Schritt erneut eine verdeckte wirtschaftliche Beteiligung des Reiches an der DRADAG, mittels eines neuen, diesmal allerdings vertraglich an RMI gebundenen Treuhänders, des Justizrats Dr. F.W. Erlinghagen hergestellt, dem im Dezember 1924 die Mehrheitsanteile an dem Unternehmen übereignet wurden.[*] Diese allein schon weitgehend nichtöffentliche Konstruktion der staatlichen Kontrolle über die DRADAG stellte das RPM, das wegen seiner wirtschaftlichen Interessen sehr um den öffentlichen Ruf des unpolitischen Unterhaltungsrundfunks bemüht war, jedoch noch nicht zufrieden. Hier war man der Ansicht, daß die

"(…) in der Gesellschaft Drahtloser Dienst getroffenen Maßnahmen noch nicht die Gewähr dafür bieten, daß die Presse nicht schwere Angriffe gegen das Reichskabinett und die Reichspost erhebt."[*]

In einem zweiten Schritt machte das RMI deshalb seinen wirtschaftlichen Einfluß auf die DRADAG bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates praktisch wieder rückgängig, so daß die Entstehung eines öffentlichen Erscheinungsbilds der Gesellschaft als regierungsamtlicher Nachrichtenagentur des Rundfunks weitgehend ausgeschlossen war. Zwar behielt die Behörde ihre 51% Anteilsmajorität an der Agentur; die zu dieser Anteilsmajorität gehörenden Sitze im Aufsichtsrat der Gesellschaft teilten sich neben nur zwei Vertretern der Reichsregierung und einem Vertreter der von ihr kontrollierten RRG jedoch in erster Linie acht Vertreter verschiedener Landesregierungen und acht Vertreter der staatstragenden Parlamentsparteien (DVP, DNVP, Zentrum, Bayr. Volkspartei, Wirtschaftspartei d. deutschen Mittelstands, DDP und SPD), so daß die Reichsregierung ihren Einfluß auf dieses Gremium weitgehend eingebüßt zu haben schien.[*]

Tatsächlich wurde die Kontrolle der Reichsregierung über die DRADAG jedoch in einem dritten Schritt wiederhergestellt, und zwar durch gesondert festgelegte Bedingungen, die von Seiten des RMI an eine Anerkennung der Gesellschaft als Nachrichtenstelle des Rundfunks geknüpft wurden[*]. Diese Bedingungen, die der Aufsichtsrat der Gesellschaft noch vor deren Anerkennung als Nachrichtenstelle akzeptieren mußte, legten fest, daß die DRADAG ihre Tätigkeit "in enger Fühlungnahme mit der Presseabteilung der Reichsregierung"[*] und entsprechend der auch für die regionalen Gesellschaften geltenden Richtlinien durchzuführen hatten, wobei die Gesellschaft verpflichtet war, Auflagenachrichten und -vorträge, die ihr von den Reichsbehörden übermittelt wurden, "unverzüglich, unverkürzt und unverändert"[*] an die Regionalgesellschaften, ebenfalls als Auflagenachrichten und – vorträge, weiterzuleiten. Darüber hinaus erhielt das RMI auch weitgehende Rechte bei der Personalpolitik der DRADAG: Alle Personalverträge bedurften fortan einer Genehmigung des Ministeriums, und diesem nicht genehme Vorstandsmitglieder oder Angestellte der Gesellschaft waren auf Wunsch des RMI "ganz oder in Grenzen"[*] von der Arbeit in der Nachrichtenstelle auszuschließen

Abbildung:

Die Rundfunkordnung nach der Neuregelung des Rundfunks 1926

Bild: Neuregelung des Rundfunks 1926


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