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Kulturkampf konkret:
Die Rundfunkpolitischen Vorstellungen innerhalb des ARKD vor der 3. Reichskonferenz im März 1927 

An Hand der rundfunkpolitischen Beiträge des Neuen Rundfunk’s (NRF) soll in diesem Kapitel versucht werden, sowohl die Kritik der Arbeiterfunkfreunde an Gestaltung und Programm des Weimarer Rundfunks, als auch ihr Vorstellungen von den Aufgaben, die dieses Medium im Interesse der Arbeiterschaft wahrzunehmen hätte, und ihre anfänglichen Konzepte zu seiner Veränderung zu rekonstruieren. Hierbei muß allerdings schon im Vorhinein darauf hingewiesen werden, daß das Bild, das auf Grundlage dieser Beiträge von den rundfunkpolitischen Vorstellungen der Arbeiterfunkfreunde ensteht, nur bedingt dem entsprechen dürfte, was innerhalb des ARKD tatsächlich überlegt und diskutiert wurde. Der Grund für diese Einschränkung ergibt sich dabei aus dem besonderen Charakter der Quelle; und zwar in zweifacher Hinsicht:

Zum einen war der NRF, anders als der zunächst erschienene Arbeiterfunk, kein eigentliches Organ des Vereins. Zwar entstand die Zeitschrift im Frühjahr 1926 auf Initiative des ARKD und wurde von diesem auch als propagandistisches Sprachrohr betrachtet, dessen Verbreitung man tatkräftig unterstützen wollte[*]. Bis zum Verlagswechsel im Herbst 1927, bei dem die Zeitschrift auch erneut in Arbeiterfunk. Der neue Rundfunk umbenannt wurde[*], wurde sie jedoch vom Verlag C. Jarniszewski eigenverantwortlich herausgegeben, wobei der Verlag auch die beiden leitenden Redakteure, Dr. H. A. Schulz für den textlichen Teil und Dipl.Ing. Hans Mendelsohn für den technischen Teil bestellte[*]. Unmittelbaren Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung des NRF hatte der Verlag nur bei der Rubrik Mitteilungen des A.R.K.D.e.V.. Zwar dürfte auch der sonstige Inhalt den Zielen des ARKD nicht direkt widersprochen haben. Da viele der abgedruckten Beiträge nicht von Mitgliedern des Vereins, sondern von z.T. namhaften Gastautoren – wie z.B. dem unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel schreibenden Kurt Tucholsky[*] – verfaßt wurden, kann letztlich jedoch nur angenommen werden, daß die hier vertretenen Auffassungen den Positionen der Arbeiterfunkfreunde wenigstens annähernd entsprechen.

Zudem dürfte das Bild, das in den Beiträgen des NRF von den Vorstellungen der Arbeiterfunkfreunde gezeichnet wird, auch dort, wo eine inhaltliche Einflußnahme des Vereins auf die Zeitschrift konstatiert werden kann, durch die von den Verantwortlichen des ARKD vertretene Auffassung von Propaganda nicht unwesentlich verzerrt worden sein. Grundmaxime für eine "gut durchgeführte Propaganda"[*] war hier nämlich, möglichst wenig von den, durchaus bestehenden vereinsinternen Meinungsverschiedenheiten[*] nach ‘außen’ dringen zu lassen. Fritz Segall, der Berliner Propagandaleiter der Organisation begründet dies im Herbst 1926 folgendermaßen:

"Propaganda bedeutet suggestive Übertragung innerer Stabilität einer Gemeinschaft auf die labile Indifferenz der Masse. (…) Jegliche Propagandaarbeit kann (…) nur dann erfolgreich sein, wenn sie im Hinblick auf die ganze Bewegung geschieht, ohne auf irgendwelche Unterschiedlichkeiten, die innerhalb gewisser Begrenzungen liegen, Rücksicht zu nehmen; (…) Innerhalb des A.-R.-K. wird die Propagandaarbeit besonders schwierig, weil sich in ihm mehrere politische Strömungen vereinigen. Die Propagandaleitung erkennt derartige Unterschiede niemals an. Es existiert für die nur eine proletarische Bewegung, die die kulturpolitische Bedeutung des Rundfunks erkannt hat und bemüht ist, den ihr zu Unrecht vorenthaltenen Einfluß zu gewinnen."[*]

Gerade in den Beiträgen des vor allem für die Propaganda des ARKD nach ‘außen’ gedachten NRF dürften die rundfunkpolitischen Positionen des Vereins daher erheblich einheitlicher erscheinen, als sie tatsächlich waren.

Bedingt durch die bereits angesprochene prekäre Materiallage zur Arbeiterradiobewegung bietet der NRF jedoch praktisch die einzige Möglichkeit, wenigstens ansatzweise etwas über die Vorstellungen der Arbeiterfunkfreunde zu erfahren, so daß eine genauere Betrachtung der hier veröffentlichten Beiträge trotz ihrer eingeschränkten Aussagekraft durchaus sinnvoll erscheint.[*]



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