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Die Opposition formiert sich 

Da die Revision der ARKD Programmatik von Seiten des Reichsvorstands nur sehr allmählich und vorsichtig vorangetrieben wurde, begann sich auch erst relativ spät eine inhaltliche Opposition gegen die sozialdemokratische Ausrichtung des Vereins zu formieren. Zu einem ersten Eklat zwischen Reichsvorstand und kommunistischen Mitgliedern des Berliner ARBD kam es allerdings bereits im Oktober 1927, anläßlich der in Berlin stattfindenden Ersten Internationalen Konferenz der Arbeiterradioorganisationen, die endlich die schon lange angestrebte Gründung einer Arbeiter-Radio-Internationale regeln sollte.[*]

Sowohl der Verlauf, als auch das Ergebnis dieser Konferenz mußten bei den kommunistischen Funkfreunden den Eindruck erwecken, daß hier keine überparteiliche, sondern eine sozialdemokratische Internationale entstehen sollte. Schon zu Beginn der Konferenz, deren Teilnehmer entsprechend der politischen Ausrichtung der nationalen Verbände ohnehin zumeist Sozialdemokraten waren, stellte sich heraus, daß den russischen Delegierten – mit einer Ausnahme – von der deutschen Botschaft keine Einreisegenehmigung erteilt worden war. Auch von den sozialdemokratischen Delegierten wurde hiergegen natürlich "in schärfster Form"[*] Protest erhoben, und der Vorstand des ARBD versuchte – spät aber erfolgreich - sogar beim Auswärtigen Amt zu intervenieren, so daß die russischen Delegierten einen Tag nach der Konferenz dann doch noch nach Berlin kommen konnten. Der weitere Verlauf der Konferenz legte jedoch tatsächlich den Schluß nahe, daß es den sozialdemokratischen Delegierten eher gelegen kam, daß der russischen Radioorganisation auf diese Weise eine Einflußnahme auf die Gestaltung der Internationale erschwert wurde. Zwar lehnte die Konferenz nach Gegenrede Baakes einen Antrag des holländischen Delegierten van Looj ab, der gefordert hatte,

``(…) die russische Organisation nicht in die Internationale aufzunehmen, ehe nicht die gewerkschaftliche und politische Einheit erreicht sei."[*]

Von einer Teilnahme an dem, auf der Konferenz ins Leben gerufenen, vorbereitenden Komitee der Internationale, das "nähere Bestimmungen für die Zugehörigkeit" sowie die Statuten der Internationale ausarbeiten sollte[*], wurden die russischen Delegierten jedoch explizit ausgeschlossen. Der anwesende russische Vertreter verließ daraufhin unter Protest die Konferenz und auch die kommunistischen Mitglieder der Berliner Ortsgruppe des ARBD protestierten - freilich auf ihre Weise – gegen diesen Beschluß: Noch am selben Abend luden sie die ausländischen Teilnehmer zu einer Begrüßungsveranstaltung unter dem Motto "Lenin zeigt euch den Weg"[*], auf der es dann, einem späteren Bericht des Reichsvorstandes zufolge, auch zu "starken Beleidigungen"[*] der Gäste gekommen sein soll.

Erst ein halbes Jahr später, nach den Reichstagswahlen vom Mai ’28, begannen die kommunistischen Funkfreunde dann in größerem Maßstab eine Opposition gegen den sozialdemokratischen Reichsvorstand zu organisieren. Dabei lag das Zentrum der oppositionellen Bestrebungen zweifellos in Berlin, wo Kommunisten bereits im Frühjahr die Leitung der Ortsgruppe übernommen hatten, und wo ab Mai 1928 - unter der Redaktion Rudolf Scheffels – auch ein kommunistisch orientiertes monatliches Mitteilungsblatt, "Der aktive Radiogenosse" erschien[*]. Einfluß gewann die kommunistische Opposition im Laufe des Sommers aber auch in Leipzig, Chemnitz und Stuttgart[*].

Der Widerstand der Opposition richtete sich dabei zunächst weniger gegen die konkreten Aktivitäten des Reichsvorstandes – wenngleich diesem auch vorgeworfen wurde, daß er versäumt habe ``(…) mit den Massen (…) enge Fühlung aufzunehmen"[*] – als vielmehr gegen die sich abzeichnende sozialdemokratische Revision der Vereinsprogrammatik, der die alten Forderungen des Vereins entgegengehalten wurden. Anfang Juli 1928 hieß es z.B. in einer Resolution der Bezirkskonferenz Leipzigs:

"Vom Arbeiter-Radio-Bund ist unbedingt zu fordern, daß auf diesem Gebiet (der Senderneutralität; der Verf.) alles zu unternehmen sei, was im Interesse der Arbeiterschaft liegt. Es kann nicht allein dabei stehen geblieben werden, zur Mitarbeit am Sender und in die Programmausschüsse zu gelangen, sondern es ist unbedingte Neutralität und Parität durchzuführen. (…) Als höchstes Ziel aber muß gefordert werden: eigene Sender. Von der Reichsleitung wird gefordert: auf der Reichskonferenz konkrete Beschlüsse in dieser Frage festzulegen und durchzuführen gemeinsam mit allen anderen Arbeiterorganisationen."[*]

Die Vorstellungen der Opposition vom Kampf um den Rundfunk beschränkten sich also keineswegs auf die Forderung nach einem eigenen Sender. Zwar wurde die vom Reichsvorstand angestrebte Reduzierung des Kampfes auf bloße Mitarbeit abgelehnt; die Durchsetzung von Arbeiterinteressen im bestehenden Rundfunk war für die oppositionellen Funkfreunde jedoch noch ebenso vorstellbar, wie seine organisatorische Umgestaltung. Ebenfalls im Juli ’28 forderte Rudolf Scheffel im "Aktiven Radiogenossen" so "(e)ine nach demokratischen Gesichtspunkten zusammengesetzte Interessenvertretung der Rundfunkhörer"[*] mit Einfluß auf die Programmgestaltung, die die Hörermassen zum "Kampf gegen die Entrechtung" sammeln würde[*]. Und:

"Damit würde das alte Lied der Arbeiterprogrammforderungen einen anderen Pfiff erhalten. (…) Die Mißachtung der proletarischen Gedankenwelt würde aufhören. Unsere politischen und gewerkschaftlichen Führer, die Künstler und Schriftsteller des werktätigen Volkes träten vor das Mikrophon. Der Rundfunk würde am öffentlichen Leben auch an Parlamentstagungen lebendigen Anteil nehmen."[*]

Obwohl es zunächst so schien, sollte auch die kommunistische Opposition jedoch nicht der ideologische Erbe der alten ARKD Programmatik werden. Vielmehr wurde auch sie noch vor der 4. Reichskonferenz ‘auf Linie’ gebracht, und zwar von der kommunistischen Parteiführung. Noch am 24. August 1928 schaltete sich das ZK der KPD mit einem Rundschreiben[*] in die Auseinandersetzung der kommunistischen Opposition mit dem ARBD Vorstand ein. Die Partei, so wurde hier festgestellt, habe sich bislang ``viel zu wenig"[*] um die Radioprogramme, um Vorschläge für andere Radiovorträge, aber auch um den ARBD und ihre eigene "prinzipielle Stellung zum Funkwesen"[*]gekümmert. Angesichts der "Massenbeteiligung" an dem Medium und der mit ihm seitens der Bourgeoisie betriebenen "Massenbeeinflussung" müßte diesen Fragen jetzt jedoch "die größte Aufmerksamkeit"[*]zugewendet werden. Sowohl die Bezirksleitungen als auch die Agit-Prop Abteilung der Partei wurden deshalb ersucht,’’(…) dem Rundfunk (…) besondere Aufmerksamkeit (…) zuzuwenden."[*]

Auch die politischen Ziele des Kampfes der Kommunisten um den Rundfunk legte die Parteiführung in diesem Rundschreiben verbindlich für die unteren Organe der Partei fest. Anders als in den ersten Resolutionen und Artikeln der kommunistischen ARBD Opposition, wurde dabei die Möglichkeit einer Einflußgewinnung auf den bürgerlichen Weimarer Rundfunk praktisch abgeschrieben. Zwar sollten die Kommunisten sich auch weiterhin an den Arbeiterprogrammausschüssen beteiligen, hier konkrete Programmalternativen erarbeiten und durchzusetzen suchen. Daß hierdurch eine Neutralisierung des bürgerlichen Rundfunks erzielt werden könnte, galt jedoch als ausgeschlossen. Stattdessen wurde die Arbeit in den Ausschüssen nur noch als "Mittel" betrachtet, um die Arbeiterhörer für den Kampf um den Arbeitersender zu mobilisieren, der jetzt als einzige Möglichkeit angesehen wurde, den Interessen der Arbeiterschaft im Rundfunk Geltung zu verschaffen. Eine Mitarbeit in den staatlichen Überwachungsgremien oder ein Kampf um deren Umgestaltung zu gesellschaftlichen Kontrollorganen wurde hingegen nicht einmal mehr erwähnt, denn:

"Unser gesamter Kampf muß die Schaffung von Arbeiter-Sendern zum Ziel haben. Die Bildung von Arbeiterfunkausschüssen zur Mobilisierung kann nur noch ein Mittel sein. Bei dieser Tätigkeit ist die Führerrolle des ARB zu betonen. Ganz besonders müssen wir die Herabsetzung der Rundfunkgebühren fordern. (…) Ferner müssen wir gegen die dreimonatige Kündigungsfrist bei Einstellung des Empfangs und gegen Zwangsvollstreckungsrecht (Pfänderecht) durch die Post kämpfen."[*]

Wie schnell diese von der Parteiführung verlangte Fixierung kommunistischer Rundfunkpolitik auf den Kampf um Arbeitersender[*] auch die Positionen der kommunistischen Opposition innerhalb des ARBD bestimmte und hier zu einer entsprechenden Reduzierung der Forderungen führte, zeigt eine Entschließung, die nur wenige Tage nach dem Rundschreiben des ZK auf einer Berliner Mitgliederversammlung beschlossen wurde und gewissermaßen die rundfunkpolitische Grundsatzerklärung der kommunistischen Opposition zu den "Richtlinien" des Reichsvorstandes darstellte[*]. Hatte jene eine Durchsetzung der kulturellen Interessen der Arbeiterschaft am Rundfunk in erster Linie von der Mitarbeit der Arbeiterschaft im Rundfunk abhängig gemacht, die abgesehen von Programmvorschlägen vor allem durch eine Mitwirkung von Arbeitervertretern in den staatlichen Überwachungsgremien erfolgen sollte, so wurde hier der Kampf der Arbeiterschaft zur Durchsetzung ihrer Forderungen in den Mittelpunkt gestellt, um jeglichen Versuchen durch von der Regierung ernannte Arbeitervertreter in den Überwachungsgremien, also durch ,Kanalpolitik’ Einfluß auf den Rundfunk nehmen zu wollen, eine klare Absage erteilt:

"Proletarische Kulturpolitik bedeutet (…) nicht Ausschaltung des politischen Kampfes der Arbeiterklasse, der Kampf um eine proletarische Kultur ist im Gegenteil ein Teil des täglichen Kampfes der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie. Dieser Kulturkampf steht nicht über den Dingen, über dem politischen Kampf (…).

Die Versammlung lehnt die Auffassung ab, wonach durch persönliche Beeinflussung und Verhandlungen mit einzelnen amtlichen Stellen und Ministerialräten das Rundfunkprogramm geändert werden kann. Nur die einheitliche Kampffront aller Arbeiterhörer, unter Führung des ARB wird in der Lage sein, Schritt für Schritt die Forderungen der Arbeiterklasse zu verwirklichen."[*]

Anders als zwei Jahre zuvor im NRF geht es hier jedoch nicht um die Durchsetzung eines "Mitbestimmungsrechts" der Arbeiterschaft und ihrer Organisationen an der Programmgestaltung des Weimarer Rundfunks, oder wie noch im Monat zuvor in dem Artikel Scheffels im "Aktiven Radiogenossen’’, um die Umwandlung der staatlichen Überwachungsgremien in Organe der Interessenvertretung der Hörer. Deutlicher noch als in dem Rundschreiben der Parteiführung wird vielmehr nur noch zum "Kampf gegen den bürgerlichen Rundfunk" aufgerufen. Dies schließt zwar auch hier eine Mitarbeit in den Arbeiterprogrammausschüssen keineswegs aus; ebenso wie in dem Rundschreiben der KPD-Führung galt diese jedoch jetzt nur noch als Mittel zur Mobilisierung der Arbeiterhörer im Kampf gegen den bürgerlichen Rundfunk und für die Errichtung eigenständiger Arbeitersender. Denn:

"Die herrschende Klasse und der arbeiterfeindliche bürgerliche Staat benutzen die Erfindung des Radios zur Verdummung der Arbeiterklasse. (…) Es ist Aufgabe des ARB, mit allen Arbeiterorganisationen, Gewerkschaften, Sport- und Kulturorganisationen und den politischen Parteien den Kampf gegen den bürgerlichen Rundfunk zu führen. Als ein Mittel zur Bildung einer Kulturkampffront gegen den bürgerlichen Rundfunk betrachtet die Mitgliederversammlung die Schaffung von Arbeiterprogrammausschüssen. Der Zweck dieser Ausschüsse darf nicht allein der Versuch der Programmbeeinflussung durch Aufrüttelung der Hörermassen sein, sondern vielmehr ein Mittel, den Kampf zu führen für die Errichtung von Arbeitersendern. (…) Der Verzicht auf diesen Kampf bedeutet, Kapitulation vor dem Bürgertum und die Auslieferung der werktätigen Massen an das stärkste Mittel der Bourgeoisie zum Nutzen ihrer politischen Beeinflussung, dem bürgerlichen Rundfunk."[*]

Wie sich hier schon andeutet, galt die Errichtung eigenständiger Arbeitersender dabei keineswegs mehr, wie noch zwei Jahre zuvor im NRF, als nur langfristiges Ziel. Eine baldige Durchsetzung dieser Forderung wurde vielmehr als dringend geboten erachtet und scheint, zumindest für Berlin auch für durchaus möglich gehalten worden zu sein. In der Entschließung heißt es jedenfalls:

"Gerade für Berlin ist die Frage eines Arbeitersenders äußerst dringend. Der zweite Sender im Orte Berlin muß unbedingt ein zweites Berliner Programm unter Leitung des Arbeiter-Radio-Bundes verbreiten. Er muß eine Tribüne des schaffenden Volkes werden."[*]


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