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Resümee:


1.

Außchlaggebend für die Einführung des Rundfunks in Deutschland waren in erster Linie wirtschaftliche Motive, sowohl auf Seiten der Industrie (Geräteverkauf) als auch auf Seiten des Staates/RPM (Gebühren). Wie sich gezeigt hat, reichen diese wirtschaftlichen Intereßen zur Erklärung der Organisationsform, die für das neue Medium schließich geschaffen wurde, jedoch nicht aus. Maßgeblich für die Organisationsstruktur des Weimarer Rundfunks waren neben den wirtschaftlichen vielmehr politische Interessen; und zwar in zweifacher Hinsicht:

a. das sicherheitspolitische Intereße der Reichsbehörden, das – da eine nichtstaatliche Sendemöglichkeit unterbunden werden sollte – allein schon eine möglichst staatsnahe Organisation bedingte;

b. das Propagandainteresse sowohl der Reichsregierung, vertreten durch das RMI, als auch der, allerdings erst recht spät aktiv werdenden Landesregierungen.

2.

Als Resultat eines langwierigen und öffentlicher Kontrolle weitgehend entzogenen Prozeßes entstand eine Rundfunkorganisation, die diesen staatlichen und privaten Intereßen durchaus gerecht wurde:

Die Industrie konnte Funkgeräte an Private vertreiben und erhielt damit einen neuen Markt.

Der Staat, d.h. die Reichsregierung, vertreten durch das RPM, sicherte sich sowohl die wirtschaftliche Mehrheitsbeteiligung und damit Kontrolle über die formal privat organisierten Rundfunkgesellschaften, als auch einen nicht unbeträchtlichen Gewinn an dem Unternehmen.

Reichs- und Landesregierungen übten gemeinsam über von innen ernannte überwachungsaußchüße und Kulturbeiräte im Wege der Vorzensur die politische Kontrolle über die Programmgesellschaften. Darüber hinaus erhielten sie aber auch – ihren Propagandaintereßen entsprechend - positive Einflußöglichkeiten auf die Programmgestaltung:

3.

Die Errichtung dieser staatsnah-regierungskontrollierten Rundfunkorganisation wurde nicht unwesentlich von Sozialdemokraten mitgetragen, wenngleich sie im entscheidenden Moment von einer Einflußnahme auf den Organisationsprozeß und damit auch auf das Medium ausgeschlossen wurden. Obwohl die beteiligten Sozialdemokraten die politische Bedeutung des neuen Mediums durchaus erkannten, beschränken sich ihre Aktivitäten der Sozialdemokratie auf den Versuch sich personell bzw. über eigene wirtschaftliche Beteiligung eine Einflußnahme auf das Medium zu sichern, und zielten nicht auf die Durchsetzung einer öffentlich parlamentarischen Kontrolle auf den Rundfunk.

4.

Die kommunistische Partei hingegen blieb vollständig von einer Beteiligung am Organisationsprozeß wie auch von einer Einflußnahme auf das Medium ausgeschloßen. Auch sie war jedoch nicht in der Lage, frühzeitig öffentlich wirksam alternative Organisationsmodelle zu propagieren. Vielmehr scheint die Parteiführung im Unterschied zu Teilen der Basis die politische Bedeutung deßen, was da auf sie zukam, lange Zeit nicht erkannt zu haben.

5.

Konzepte für eine alternative, den Intereßen der Arbeiterschaft Rechnung tragenden, nicht staatsnah-regierungskontrollierten Organisationsform des Rundfunks entstanden unter diesen Bedingungen, wesentlich eher als innerhalb der leitenden Gremien der beiden Arbeiterparteien, außrhalb ihres Organisationsrahmens, bei von der Technik und den Möglichkeiten des neuen Mediums faszinierten Arbeiterbastlern. Deren politische Auseinandersetzung mit dem Rundfunk knüpfte zwar zunächst nur an deßen ‘äußrer’ Organisationßtruktur (Audionsversuchserlaubnis) an; relativ bald wurde im Rahmen ihrer Organisation aber auch grundsätzliche Kritik an Organisation und Programmgestaltung des Weimarer Rundfunks geübt und Vorstellungen über eine sowohl organisatorisch wie inhaltlich andere Gestaltung des Mediums geübt.

6.

Die von den Arbeiterfunkfreunden geleistete Analyse der Weimarer Rundfunkorganisation erweist sich dabei allerdings als ausgesprochen lückenhaft. Schon aufgrund der "reaktionären" Programme und der Tatsache, daßdie Arbeiterschaft von einer Programmgestaltung ausgeschlossen war, wurde zwar der bürgerliche Charakter des Rundfunks postuliert; das wesentliche Moment seiner Organisation, ihr staatsnah-regierungskontrollierter Charakter, geriet jedoch nicht ins Blickfeld der Kritik. So wurden die staatlichen Zensurgremien zunächst als vermeintlich öffentliche Kontrollorgane verkannt und die Bedeutung der DRADAG wird in der Zeitschrift der Funkfreunde sogar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Gerade diese Verkennung des Regierungseinflußes auf die Aufsichtsgremien machte es gleichzeitig jedoch möglich, neben der, sich unmittelbar aus dem Wunsch nach Beteiligung ergebenden Forderung nach eigenständigen Arbeitersendern auch Konzepte für eine Umgestaltung des Staatsrundfunks in einen öffentlich kontrollierten zu entwickeln, wie etwa in der Forderung nach einem Radioparlament.

7.

Beide Forderungen, die auf eine organisatorische Umgestaltung des Weimarer Rundfunks zielten, wurden nach übernahme der ARBD-Führung durch Sozialdemokraten von diesen in ihrem kritischen Potential nicht erkannt. Nach wie vor zielten die Funktionäre der SPD vielmehr auf einen Einflußauf den Rundfunk vermittels Besetzung der entscheidenden Posten, statt eine institutionelle Absicherung eines Einflußes der Arbeiterschaft zu fordern.

8.

Die kommunistische Opposition beharrte demgegenüber zwar auf einen institutionellen abgesicherten Einfluß reduzierte ihre Vorstellungen hierüber aber auf die Forderung nach eigenständigen Arbeitersendern. Diese Reduktion schloßeine weitere inhaltliche Auseinandersetzung um die Strategie im Kampf um den Rundfunk zwischen den beiden Flügeln der Arbeiterbewegung, und damit auch die Möglichkeit eines gemeinsamen Kampfes aus.

9.

Die durch diese Verhärtung der Fronten unvermeidbar gewordene Spaltung der Arbeiter-Radio-Bewegung erscheint im Nachhinein vor allem deshalb tragisch, weil die Sozialdemokratie die von den Kommunisten freigegebenen Positionen schon bald besetzen sollte. Bereits im November ‘28 zeigte z.B. der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Crispien auf der Berliner Reichsrundfunkkonferenz der SPD erste Anzeichen einer Revidierung der bisher ablehnenden Position seiner Partei gegenüber einer organisatorischen Umgestaltung des Rundfunks und verlangte eine "Umwandlung des heutigen gemischt-wirtschaftlichen Betriebes in einen gemeinnützigen staatlichen Betrieb".[*] Ein Jahr später ging der sozialdemokratische RMI Severing in seinem, vermutlich in Zusammenarbeit mit Curt Baake entstandenen "Rundfunkreformvorschlägen’’ sogar noch etwas weiter und plante,

"(…) den Rundfunk seines heutigen Charakters als eines gemischt wirtschaftlichen Betriebes zu entkleiden und in eine gemeinnützige Einrichtung des demokratischen Volkßtaates unter parlamentarischer Kontrolle umzuwandeln"[*] .

Aktivitäten zur Realisierung dieser Forderung unternahm die SPD allerdings nicht mehr. Dies blieb, ebenso wie die Errichtung des – dann freilich nicht mehr demokratischen - Volkßtaates anderen überlaßen: Das Kabinett Papen organisierte 1932 die endgültige Verstaatlichung des Rundfunks (allerdings ohne parlamentarische Kontrolle) und schuf damit die Voraußetzung zur fast nahtlosen übernahme des Mediums durch die Nationalsozialisten.

ENDE

 


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