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Die 3. Reichskonferenz des ARKD 

Die Rundfunkarbeitsgemeinschaft erlangte allerdings keine größere Bedeutung mehr, da es der Sozialdemokratie auf andere Weise gelang, ihren Führungsanspruch durchzusetzen. Schon auf der 3. Reichskonferenz des ARKD, die am 5./6. März 1927 wieder im Berliner Gewerkschaftshaus stattfand, verfügten die sozialdemokratischen Delegierten über eine knappe Mehrheit von 2 Stimmen und konnten so die Zusammensetzung des Vorstands bestimmen[*]. Erster Vorsitzender wurde dann auch ein Sozialdemokrat, nämlich der ehemalige Staatssekretär Fritz Eberts und derzeitige Vorsitzende des Volksbühnenverbandes, Curt Baake, der zu diesem Zweck erst noch in den Verein aufgenommen werden mußte[*]. Der ehemalige kommunistische Vorsitzende Wilhelm Hoffmann wurde dagegen nur zum Stellvertreter gewählt.

Auf Basis des vorliegenden Materials besteht allerdings kein Anlaß zu der Vermutung, daß diese "Machtergreifung"[*] der Sozialdemokratie, wie etwa Hanzl behauptet, ein Resultat von "Bestechung und Betrug"[*] oder einer "den realen Tatsachen widersprechenden Delegiertenmehrheit"[*] gewesen wäre. Zwar heißt es in dem Bericht der Roten Fahne über die Konferenz, daß "die Sozialdemokraten rein fraktionell gearbeitet (haben)"[*] und schon "fertige Fraktionslisten für den neuen Reichsvorstand" zusammengestellt hätten[*]; auch dieser Bericht geht jedoch davon aus, daß die Mehrheit von 2 Stimmen, die die sozialdemokratische Fraktion dann besaß, durchaus den realen Verhältnissen im Verein entsprach[*]. Dies ist auch keineswegs so unvorstellbar, wie es Hanzl zu sein scheint. Seit der 2. Reichskonferenz waren 50 neue Ortsgruppen entstanden und da sich auch in den sozialdemokratischen Kulturorganisationen ein Bewußtsein von der Notwendigkeit des Kulturkampfes um den Rundfunk durchzusetzen begann, ist es sehr wahrscheinlich, daß auch in größerem Maße als zuvor sozialdemokratische Funkfreunde dem Klub beigetreten sind.

Auch läßt sich im vorliegenden Material kaum ein Hinweis darauf finden, daß die "rechten SPD-Führer", wie Hanzl schreibt, auf dieser Konferenz ein "verräterisches Spiel" getrieben hätten, um den ARKD auf einen neuen, weichen Kurs zu orientieren[*]. Angesichts der Tatsache, daß auch innerhalb der sozialdemokratischen Kulturorganisationen die Diskussion um rundfunkpolitische Positionen noch keineswegs abgeschlossen war, scheint es den Führern der sozialdemokratischen Delegiertenfraktion – neben Curt Baake war als Gast der Konferenz auch Artur Crispien anwesend[*] – vielmehr zunächst nur darum gegangen zu sein, dem Führungsanspruch der Sozialdemokratie formal Geltung zu verschaffen. Zwar fanden auf der Konferenz, wie der NRF berichtet, "ausgedehnte und teilweise lebhaft durchgeführte Diskussionen" statt[*]; die Beschlüsse, die hier gefaßt wurden, entsprachen jedoch im wesentlichen den im Vorjahr in der Vereinszeitschrift entwickelten Positionen und fußten z.T. sogar direkt auf Anträgen kommunistisch orientierter Funkfreunde. So wurde entsprechend eines Antrags der eher kommunistisch orientierten Chemnitzer und Hallenser Ortsgruppen eine Umbenennung der Vereinszeitschrift in "Arbeiterfunk" beschlossen, um dadurch schon im Titel deutlich werden zu lassen, daß es sich hierbei um eine proletarische Funkzeitschrift handelt[*]. Auch die in einem Vorbericht der ,Roten Fahne’ zu dieser Konferenz besonders hervorgehobene Forderung zahlreicher Ortsgruppen nach "Gleichberechtigung" des ARKD bei der Vergabe von Kurzwellenversuchsgenehmigungen, die zum Bau und Vertrieb von Versuchssendern berechtigen, wurde verabschiedet[*]. Und selbst ein Vorschlag des Kommunisten Erich Heintze, in allen Sendebezirken überparteiliche "Arbeiter-Radio-Programm-Ausschüsse" einzurichten, um ’’(…) geschlossen die Gewinnung des Rundfunks zu erstreben (…)"[*], wurde von der Konferenz trotz sozialdemokratischer Mehrheit angenommen. Darüber hinaus wandte sich die Tagung erneut "gegen die heutige Tendenz des Rundfunks (…), gegen die bisherige Ausgestaltung der Programme", nahm auch "gegen die bisherigen Kulturbeiräte" Stellung und forderte zudem:

``(…) die Herabsetzung der Hörergebühr, die Befreiung der Blinden, Schwerinvaliden und Arbeitslosen von den Gebühren, die Verbreitung von Maifeiern durch alle Sender (und) den Ausbau der Radiokritik gegen die Karikatur der heutigen bürgerlichen Radiokritik."[*]

Als ersten Versuch einer sozialdemokratischen Revision der bisherigen Vereinspolitik könnte allenfalls der Umstand gewertet werden, daß es – anders als noch im Jahr zuvor beschlossen[*] – auch auf dieser Reichskonferenz zu keiner Beschlußfassung über das politische Programm des ARKD kam, in dem auch langfristige Ziele, wie z.B. die Forderung nach einem Arbeitersender, hätten festgeschrieben werden müssen. Als wichtiger erachtete man jetzt die Ausarbeitung einer neuen Satzung, die der Erweiterung der Organisation Rechnung tragen sollte[*]. Daß ausgerechnet die in diesem Zusammenhang beschlossene Umbenennung des ARKD in "Arbeiter-Radio-Bund Deutschlands" (ARBD)[*], wie Hanzl glaubt, ein "Zeichen ihrer (der Sozialdemokraten, d. Verf.) Machtergreifung"[*] darstellen soll, erscheint jedoch kaum wahrscheinlich.


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